Transgeschlechtlichkeit und Psychotherapie

Schon immer gab es Menschen, die sich nicht zu ihrem „zugewiesenen“ Geschlecht zugehörig gefühlt haben. Allmählich sind wir heute in Österreich auf dem Weg, neue Räume und Lebensperspektiven zu öffnen. Es sollte jedem Menschen überlassen bleiben, welche Lebensform die speziell gewünschte und empfundene sein soll. „Das erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit ist eines der grundlegenden Rechte eines jeden Menschen.“ (WHO)

Das Geschlecht eines jeden Menschen kann und darf nicht durch andere bestimmt werden, was einer Fremdbestimmung gleich käme. Nur der einzelne Mensch kann auf Grund seines Wissens über sich selbst und über sein eigenes Geschlecht, seine Geschlechtszugehörigkeit verlässlich Auskunft geben. Allein ihm obliegt es, sein Geschlecht zu bestimmen. Das Geschlecht und die Anerkennung desselben gehören zum Intimbereich und sind zentraler Bestandteil des Menschen, seines Selbstverständnisses und seiner Würde.

Also kann es auch wichtig sein eine fachlich professionelle Unterstützung zu bekommen, die einen wertfreien jedoch wertschätzenden Umgang mit Geschlechtlichkeit und Sexualität in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen betrifft.

 

„Transgender/Transidentität/Geschlechtsdysphorie“

Heute wird als Transidentität benannt, was im Diagnosemanual ICD-10 leider noch mit dem veralteten Begriff Transsexualität bezeichnet wird: Das gefühlte Geschlecht passt nicht mit dem biologischen Geburtsgeschlecht überein. Veraltet ist der Begriff deswegen, da man heute weiß, dass Transgender nichts mit der Sexualität zu tun hat, sondern vielmehr die eigene Identität betrifft.

Es ist wichtig zu betonen, dass eine Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit darstellt. Krank macht vielmehr der Spannungszustand, der eben dann entsteht, wenn das körperliche Geschlecht ein anderes ist, als das gefühlte Geschlecht. Dieser Spannungszustand ist mit dem Begriff Geschlechtsdysphorie gemeint. Wird eine Transgeschlechtlichkeit verdrängt, zieht das sehr häufig psychische Erkrankungen wie Depressionen, Essstörungen, Angststörungen und Abhängigkeitserkrankungen nach sich.

In Österreich gibt es kein Transgendergesetz, jedoch Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechts-Dysphorie bzw. Transsexualismus, herausgegeben vom BMGF.

Diese Behandlungsempfehlung ist stark angelehnt an die Standards of Care der World Professional Association for Transgender Health.

Für alle Betroffenen heißt dies, dass für den Beginn der Transition eine Indikationsstellung durch die Diagnosesicherung von drei Seiten erforderlich ist: Psychotherapie, Psychologie und Psychiatrie. Dann kann die körperliche Transition eingeleitet werden (Hormonbehandlung, Personenstandsänderung, geschlechtsangleichende Operationen).

Abgesehen von der Diagnosestellung gibt es keine verpflichtende Anzahl von Psychotherapiestunden. Jedoch wird eine psychotherapeutische Begleitung empfohlen und von den meisten Betroffenen sehr geschätzt.

Psychotherapie ist hilfreich bei allen großen Schritten, die im Verlauf der Transition anstehen. Angefangen beim Finden/Festigen der eigenen Identität, über Outing und Passing, bis hin zum Erarbeiten einer befriedigenden Rollengestaltung. Udo Rauchfleisch schreibt dazu: „Das übergeordnete Ziel ist, eine möglichst große emotionale und soziale Stabilität zu erreichen, damit der betreffende Trans*mensch den Belastungen, mit denen er zwangsläufig immer wieder im Alltag konfrontiert wird, standhalten und mit ihnen konstruktiv umgehen kann.“

(U. Rauchfleisch: Transsexualität – Transidentität. Begutachtung, Begleitung, Therapie. V&R 2016)

 

Nähere Informationen zum Thema:

Broschüre der Stadt Wien: Trans*Identitäten (PDF-Datei)

 

 

 

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